Jahrelang hatte ich Angst, etwas zu verpassen – FOMO. Ich wollte mehr, mehr, mehr. Wusste aber gar nicht wovon. Das nervöse Verlangen mehr zu wollen peitschte mich durch meine Zwanziger. Bis ich ein paar simple Wahrheiten erkannte.
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Die Gründe für FOMO
Wir leben in einer Welt der endlosen Möglichkeiten. Die Supermarktregale sind schon gut gefüllt, Onlineshops sind voller. Nie traf „die Qual der Wahl haben“ mehr zu als heute.
Wissenschaftler nennen das Paradox of Choice: Ab einer bestimmten Anzahl an Optionen fällt es uns immer schwerer eine gute Entscheidung zu treffen.
Ich erinnere mich, wie ich als Kind abends im Bett lag und nicht schlafen konnte, weil ich darüber nachdachte, ob das Universum wohl wirklich unendlich ist und wieso wir alle sterben müssen.
Mein Lieblingsbuch in der Grundschule war ein großes Kinderlexikon. Und ich fand alles darin interessant. Erst später lernte ich Begriffe wie „Generalist„, die vielfältig interessierte Menschen beschreiben. Mir fiel es jedenfalls schon immer schwer, mich auf nur eine Sache zu fokussieren.
Und gleichzeitig bewundere ich Menschen, die mit 13 ihre Passion gefunden und dann alles daran setzen, diese Passion zum Beruf zu machen. Menschen, die sich in aller Tiefe mit einem ganz speziellen Thema beschäftigen.
Ich hingegen sprang jahrelang hin und her, wie ein Flummi. Und die endlose Liste von Möglichkeiten schleuderte mich immer und immer wieder durch den Raum. So flog ich von Thema zu Thema, von Hobby zu Hobby, von Idee zu Idee. Mein großes Problem: Ich konnte mich auf nichts so richtig festlegen.
Ich wusste nicht, was ich wirklich will.
Die Fear of Missing out (Angst etwas zu verpassen) war für mich das zwanghafte Verlangen, etwas zu erleben, zu machen. Irgendwo zu sein, wo ich nicht war. Nicht durch einen möglichen Gewinn, sondern durch die Angst vor dem möglichen Verlust einer Möglichkeit.
Einer Möglichkeit, die mir bei näherer Betrachtung hätte egal sein können.
Opportunitätskosten
In der Wirtschaft spricht man oft von Opportunitätskosten. Obwohl es sich um unterschiedliche Konzepte handelt, hängen Opportunitätskosten und FOMO zusammen.
Opportunitätskosten sind der Wert einer verpassten Alternative. Sie fallen an, wenn man sich für eine Option entscheidet und den potenziellen Nutzen aller anderen Optionen damit ablehnt.
Entscheide ich mich, im Sommer Urlaub auf den Kanaren zu machen, war’s das mit dem Trip nach Japan, Südafrika oder Costa Rica. Der potenzielle Wert des Urlaubs in Japan, Südafrika und Costa Rica sind dann Opportunitätskosten meiner Entscheidung für die Kanaren.
Entscheide ich mich einen Film zu schauen, dann sind die Opportunitätskosten das, was ich stattdessen hätte machen können (bspw. arbeiten, schreiben, Sport, Freunde treffen).
FOMO ist die Angst, auf eine bessere Option zu verzichten. Zum Beispiel auf die Freude und Bindung, die ich verspürt hätte, wenn ich mich mit Freunden getroffen hätte anstatt den Film zu schauen.
Als ich an FOMO litt, kam ich damit nicht klar. Ich wollte nicht akzeptieren, dass ich Optionen gehen lassen muss, wenn ich mich für eine Sache entscheide. Ich konnte nicht mit den Opportunitätskosten leben. Ich wollte alles – und zwar am liebsten gleichzeitig.
Beispiele für FOMO
Ich habe oft mit Freunden über Pornos und unsere Porno-FOMO gesprochen. Es gibt viele Männer (und ich selbst war einer davon), die sich beim Pornoschauen 10–15 Tabs öffnen, um den perfekten Porno zu finden.
Ich kenne aber auch Airbnb-FOMO. Das Urlaubsziel steht schon lange fest, aber ich konnte mich einfach nicht für das perfekte Airbnb entscheiden. Die nächste Unterkunft könnte ja noch ein kleines bisschen geiler sein.
Job-FOMO in der Karriere
Es gibt fast 22.000 Studiengänge an deutschen Hochschulen, dazu über 320 Ausbildungsberufe. Da fängt es also schon an mit der FOMO, mit der Frage: Was will ich überhaupt werden?
Und so war auch das bei mir die ausgeprägteste Form des sich-nicht-endgültig-entscheiden-Könnens: Karriere-FOMO. Bis weit in meine Zwanziger habe ich mich fast monatlich umentschieden.
Soll ich BPA-freie Trinkflaschen bei Amazon verkaufen?
Vielleicht werde ich ja doch noch Rapper.
Oder doch einfach weiter studieren?
Und so habe ich während meines Studiums (nachdem ich das erste abgebrochen hatte):
- 1 YouTube-Kanal gestartet
- 3 Blogs gelauncht
- 1 Buch veröffentlicht (und als Autor bei anderen Büchern mitgewirkt)
- 2 Onlinekurse verkauft
- 1 physisches Produkt auf den Markt gebracht (Proteinpulver)
- Beratungsdienstleistungen angeboten
- 4 Podcasts gestartet
- 2 Jobs als Werkstudent gehabt
- 2–3 Notizbücher mit Businessideen vollgeschrieben
Und nebenbei studiert. Das war ein echtes Problem. Ich hab meine Aufmerksamkeit auf all das verteilt – und am Ende nichts mit vollem Fokus über einen langen Zeitraum gemacht.
Und trotzdem bin ich andererseits froh, so viel probiert zu haben. Dadurch habe ich gelernt, was ich mag und worauf ich mich weiter konzentrieren möchte. Trotzdem: Hätte ich nicht irgendwann die Reißleine gezogen, hätte ich mich wohl noch ewig hin- und hertreiben lassen.
3 ultimative Tipps gegen FOMO
Ich mach’s kurz. Es gab drei Dinge, die mir geholfen haben, FOMO endgültig hinter mir zu lassen. Und diese Tipps können auch dir helfen.
Aber diese Tipps sind nichts ohne dieses eine Gegenmittel gegen FOMO: dein Mission Statement. Vielleicht kennst du den Begriff aus der Wirtschaft, jedes Unternehmen hat ein Mission Statement. Manche sind besser, andere weniger gut.
Dein Mission Statement ist dein Leitbild für Ziele, Werte und Aufgaben.
- Ziele: Wo will ich hin?
- Werte: Wofür stehe ich ein?
- Aufgaben: Was möchte ich tun?
Dein Mission Statement ist also ziemlich simpel entwickelt. Beantworte einfach die drei Fragen und definiere dein Leitbild. Das kann für ein Jahr gelten, für fünf Jahre oder dein ganzes Leben. Wichtig ist, dass du es dir regelmäßig vor Augen führt – insbesondere, um nicht von Belanglosigkeiten abgelenkt zu werden.
Und jetzt die Tipps gegen FOMO. Gemeinsam mit deinem Mission Statement bist du jetzt also gegen die Angst, etwas zu verpassen bestens gewappnet.
- Input und Möglichkeiten radikal reduzieren. Wenn’s geht, mach mal einen Social Media Detox. Mindestens ein Monat radikal auf sämtlichen Input über Social Media verzichten. Das reduziert schonmal die ganzen Möglichkeiten, die wir permanent vor der Nase haben. Aber hör‘ da nicht auf! Reduzier‘ deine Möglichkeiten weiter. Welche eine Entscheidung eliminiert fünf andere Entscheidungen? Bei welchen Entscheidungen kannst du eine „gut genuge“ Option akzeptieren? Meine krasseste Einschränkung an Möglichkeiten: Nach dem Studium habe ich mich unter anderem auch deshalb für eine Festanstellung und gegen eine Selbstständigkeit entscheiden, um endültig weg zu kommen von der Angst, eine tolle Möglichkeit zu verpassen.
- Stoische Philosophie lernen. Schon Marc Aurel hat in seinen Selbstbetrachtungen aufgeschrieben, dass FOMO in der Antike schon ein Ding war: „Warum dich durch die Außendinge zerstreuen? […] Hör auf, dich wie im Wirbelwind umhertreiben zu lassen.“ Stoische Philosophie war für mich ein echter Gamechanger, um FOMO loswerden zu können.
- Weniger wollen, aber intensiver. Mein einjähriger Social Media Detox hat mir geholfen, herauszufinden, was ich eigentlich will – und was ich nur wollte, weil andere es wollten. Ich glaube, das Geheimnis für ein glückliches Leben besteht darin, wenig zu wollen. Inzwischen will ich weniger denn je und weiß genau, was ich nicht will. Das hat mir enorm geholfen, FOMO loszuwerden.
Danke fürs Lesen. Hast du Tipps gegen FOMO? Kennst du das Phänomen auch? Wo tritt es bei dir besonders häufig auf?
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