Werden wir nach unseren Vorbildern gefragt, knallen wir wie selbstverständlich die Hochkaräter auf den Tisch: Henry Ford, Michael Jordan, Steven Spielberg. Doch hast du dich schonmal gefragt, was das in letzter Konsequenz bedeutet? Den Instinkt, eine Rampensau sein zu wollen, will ich in diesem Artikel hinterfragen; denn vielleicht macht dich der Assist glücklicher als der Abschluss.
Was ist das, ein Assist?
Der Assist ist ein »Zuspiel, das zu einem Tor oder Korb führt.«
Der Begriff stammt aus dem Englischen und bedeutet weiter:
- unterstützen
- helfen
- beistehen
- assistieren
- fördern
Für diesen Artikel bediene ich mich einer dilettantische Begriffsableitung aus dem Portugiesischen. Linguistischer Quatsch, aber hier geht es um den symbolischen Wert. »Assistir« heißt »zusehen«.
Einen Assist zu geben heißt auch, anderen beim Triumph zuzusehen.
Mehr noch: Es geht darum, sich damit wohl zu fühlen. Der Assist soll eine Metapher sein für:
- den persönlichen Ruhm etwas Größerem (Unternehmen, Team, Kunst) unterzuordnen
- Erfüllung darin zu finden, andere zum Erfolg zu führen
- seine Stärken schwerer als sein Ego zu gewichten
- sich als Nummer zwei wohl zu fühlen
Wer war nochmal der Drummer der Rolling Stones?
In jedem Lebensbereich gibt es eine Nummer eins – und den Rest. Sehen wir uns eine Band an. Sie besteht meist aus einem Sänger, einem Bassisten, einem Gitarristen und einem Schlagzeuger. Der Sänger, der oft auch ein Instrument spielt, steht zweifelsfrei im Rampenlicht. Er kommuniziert mit den Fans. Er ist die Stimme der Band.
Der Rest fügt sich seinem Schicksal, dem Schicksal seiner Wahl. Der Gitarrist, meist ebenfalls eine Rampensau, untermalt den Gesang mit Melodien; der Bassist steht irgendwo am Rand und sorgt für fetten Sound; den Drummer sieht man oft erst am Ende des Konzerts, wenn er seine Sticks ins Publikum wirft.
Es gibt Ausnahmen, aber Drummer und Bassisten stehen meist im Schatten ihrer Sänger und Gitarristen. Sie liefern das rhythmische Fundament, auf dem der Gitarrist seine Soli dudeln und der Sänger singen kann. Und sie tun es mit Leidenschaft.
Achtsamkeit: Lebst du für den Assist?
Nicht jeder ist eine Rampensau, so extrovertiert und exzentrisch. Es gibt auch stille Menschen. Sie sind erst im Hintergrund in Topform. Assists verteilen, daraus schöpfen sie Glück.
Eigenschaften, die darauf hindeuten, dass du für den Assist lebst:
- Du hörst lieber zu als Wortführer zu sein
- Du freust dich mehr für andere als für dich
- Du beobachtest lieber als beobachtet zu werden
- Du erträgst (und magst) es, wenn der Erfolg nicht direkt auf dich zurückgeführt wird
- Du antizipierst deine Umwelt: Wo wird mein Mitspieler in 3 Sekunden sein? (Im Gegensatz zum Top-Scorrer aber nicht, um dich in Szene zu setzen, sondern dein Team oder eine größere Sache)
Viele Eigenschaften Introvertierter können übernommen werden. Im Unterschied zum klassischen Introvertierten, gibt es dennoch Unterschiede: Vielleicht liebst du zwar den Assist, übernimmst aber trotzdem gerne die Regie und führst das Team. Ein Assistgeber ist nicht gleich introvertiert.
Wie findest du heraus, ob du Assistgeber bist oder selbst die Punkte machst?
Möglichkeit 1: Such dir einen Mannschaftssport und sei achtsam. Achte darauf, ob du dich besser damit fühlst, den entscheidenen Pass zu spielen oder das Tor, den Korb oder was auch immer selbst zu machen. Übertrag deine Beobachtungen aus dem Sport in andere Lebensbereiche.
Möglichkeit 2: Geh in dich, schau in die Vergangenheit, spüre die Gegenwart. In welche Rolle begibst du dich freiwillig? Wie warst du als Kind? Wie verhältst du dich bei Gruppenarbeiten? Schreib deine Erkenntnisse auf.
Wie viel Zeit deines Lebens hast du bisher versucht Top-Scorrer zu werden und wie oft die Assistgeber übersehen, die den Abschluss erst möglich gemacht haben? Vielleicht willst du gar nicht ins Rampenlicht und alle Last des Teams auf deinen Schultern tragen. Vielleicht bleibst du lieber im Hintergrund, nach außen hin unscheinbar, doch für jedes Teammitglied unübersehbar, unverzichtbar, unvorstellbar wertvoll.
Menschen, die im Schatten Anderer glücklich sind
Ich kann freilich nicht zu wissen vorgeben, ob die folgenden Menschen wirklich glücklich sind. Was ich allerdings eindeutig sehe, ist wie gut sie in dem sind, was wir Assist nennen; sei es wörtlich wie bei den aufgeführten Sportlern oder im übertragenen Sinne.
Es sind die Menschen, die die breite Masse gar nicht kennt, aber sicherlich jeder Basketball-, Apple- oder Musikfan. Ihre Fan-Verteilung geht nicht in die Breite, sie geht in die Tiefe. Ihnen reichen »1000 true fans«. Sie brauchen nicht die Aufmerksamkeit der ganzen Welt.
Übrigens: Diese Menschen sind alles andere als Drückeberger. Anderen den Vortritt zu überlassen, heißt nicht faul zu sein. Es heißt, dass man gewillt ist, in etwas der Beste zu werden – und trotzdem nie den ganz großen Applaus zu bekommen.
Steve Nash
Jason Kidd
John Stockton
Steve Wozniak
Jede (gute) Hired Gun
Jeder (gute) Lektor
Jeder (gute) Ghostwriter
Fallen dir noch Beispiele ein?
Wäre es nicht toll, festzustellen, dass du eine glückliche Nummer zwei (drei, vier, fünf …) auf Makroebene bist, anstatt auf der Odyssee zur vermeintlichen Spitze auszulaugen? Der Spitze, die gar nicht deine ist. Etwas zu erreichen, das dich nicht erfüllt. Du kannst immer noch die Nummer eins werden. Auf der Mikroebene. Sichtbar für Kenner, Kompetente und Profis deines Bereichs.
Superstars anzuhimmeln ist leicht. Es ist das Offensichtlichste. Es ist gemütlich. Schwierig zu erlangen und zu Beginn schmerzhaft ist die Einsicht, dass man gar kein Top-Scorrer ist. Dass man gar nicht ins Rampenlicht will. Dass man lieber den Assist spielt.
Bis bald
Jan
Becca meint
Wow, sehr cooler und spannender Artikel. Ich erkenne mich da total wieder, hab das aber noch nie so bewusst betrachtet. Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele Menschen das nicht verstehen, dass man auch glücklich damit sein und darin aufgehen kann im Stillen einen wichtigen Beitrag zu etwas zu leisten, den vielleicht keiner bemerkt (oder der erst bemerkt wird, wenn er wegfällt). Und es tut immer gut zu hören, dass es noch mehr solche Menschen gibt.
Danke für deinen Blog und Podcast, die sind beide immer wieder sehr inspirierend 🙂
Jan Rein meint
Ich glaube auch, dass viele Menschen das nicht verstehen können. Aber gut, es muss ja auch nicht jeder alles verstehen 🙂 Und solange du glücklich damit bist, würde ich genau so weitermachen!
Danke für deine lieben Worte zu Blog und Podcast 🙂