Und wieder ein Facebook-Skandal. Wieder geht es um Datenschutz. Wieder rollt der #DeleteFacebook-Zug. Unilever will das Werbebudget auf Facebook kürzen, Tesla und SpaceX nahmen ihre Facebook-Seiten offline. Nur eine Kurzschlussreaktion oder doch ein langfristiger Trend? Ein Lösungsvorschlag
Schritt 1: Mach dir klar, was Facebook tut
Facebook (und alle anderen Social Media-Plattformen, die ihr Geld mit Werbeanzeigen verdienen) tut Folgendes:
- Einen (für die Ware; siehe Punkt 3) kostenlosen Webservice bereitstellen
- Erzählen, die Plattform würde helfen mit alten Freunden in Kontakt zu bleiben, neue Leute kennenzulernen und das eigene Netzwerk auszubauen; die Illusion schaffen, ohne die Plattform abgehängt zu sein
- Selbst kaum Content produzieren, sondern die Ware (»Nutzer« genannt) Inhalte (Informationen) produzieren lassen
- Informationen an die Nutzer (Werbeanzeigen schaltende Unternehmen, politische Akteure, Einzelpersonen) verkaufen, um gezielte Werbeanzeigen zu schalten
Facebook selbst stellt also nichts her. Das einzige, was sie tun, ist eine Plattform bereitzustellen, die unsere ureigenen Bedürfnisse so befriedigt, dass die Ware dort freiwillig die Informationen generiert, die Facebook dann wiederum an Unternehmen verkauft, damit diese Werbung schalten können.
Facebook ist eine ökonomische Meisterleistung. Mehr aber auch nicht.
Wir haben uns nun vor Augen geführt, was Facebook ist – und, was die Milliarden »Nutzer« in Wahrheit sind: Ware. Willst du die Ware eines Unternehmens sein?
Schritt 2: Werde unabhängig von Social Media
Immer mehr Menschen erkennen, dass Social Media in der Form, wie wir es heute kennen, der größte Zeiträuber unserer Zeit ist. Social Media verhält sich wie ein Parasit. Ein digitaler Parasit, der sich an uns heftet, süchtig macht, uns Daten abzapft (die wir aufgrund gekonnter Manipulation freiwillig hergeben), sie verstoffwechselt und gegen Lebenselixier (Geld) tauscht.
Was können wir dagegen tun? Das Internet so nutzen, wie es konzipiert wurde: als Social Web. Das Social Web ist eine Mitmachplattform, die keine künstlichen Grenzen braucht, weder die von Facebook, noch die von Twitter oder Instagram.
Nutzen wir das Social Web so, dass wir unabhängig werden von den Unternehmenszielen weniger Konzerne. Dann gibt es auch kein Aufregen mehr über Algorithmen. Und wie geht das? Ein erster Schritt sieht so aus:
- Webspace und Domain kaufen.
- Open-Source-Anwendung wie WordPress.org nutzen, um die eigene Homepage zu bauen.
- Newsletter und RSS-Feed einrichten (beides bis zu einer gewissen Reichweite kostenlos), um in Kontakt mit Lesern, Kunden, Freunden, Fans zu bleiben.
- Regelmäßig Backups der Seite und der Newsletter-Liste machen.
- Unabhängigkeit von ständig wechselnden Algorithmen, Posting-Zwang und Datenschutzproblemen genießen.
Und um mit wahren Freunden in Kontakt zu bleiben, brauchst du schon gar kein Facebook. Wie wäre es mit einem Anruf? Einem Treffen im Café? Einer langen E-Mail? Skype? Briefen? All diese Dinge zeigen die Wertschätzung für einen Menschen ungleich stärker als ein billiges Like und ein »Du siehst toll aus« unter dem neuen Profilbild.
Schritt 3: Nutze das volle Potenzial des Social Web
Das Social Web ist mehr als eine Deponie für Booty- und Foodie-Bilder. Es bietet mehr Möglichkeiten als die, die eigene Follower-Zahl zu steigern. Aber sei ehrlich, wie viel Zeit deines gesamten Online-Lebens verbringst du in sozialen Netzwerken?
Ja, es ist verführerisch in wenigen Sekunden einen Instagram-Account zu eröffnen und an der Hashtag-Schlacht teilzunehmen. Es ist so viel leichter als sich die Mühe zu machen und eine eigene Seite zu basteln. Aber letzteres ist langfristig gesehen bereichernder (siehe Schritt 2).
Der Erfinder des Internets, Tim Berners-Lee, sagt: »People are being distorted by very finely trained AIs that figure out how to distract them.« Weiter sagt Berners-Lee: »The system is failing. The way ad revenue works with clickbait is not fulfilling the goal of helping humanity promote truth and democracy. So I am concerned.«
Wir dürfen uns nicht länger ablenken lassen. Nicht vom wahren Potenzial des Social Internet. Und schon gar nicht vom Leben.
In diesem Sinne: delete Facebook! Social Media ist tot, lang lebe das Social Web.
Wie stehst du dazu?
Steffi meint
Hallo Jan,
ein wirklich schöner Artikel und eine sehr wichtige Botschaft!
Es hat mich gerade echt ein wenig beunruhigt, dass ich nach dem Lesen tatsächlich nach dem „Like“-Button Ausschau gehalten habe. :/
Viele Grüße
Steffi
Jan Rein meint
Danke Steffi, dass du mir geschrieben und den Artikel gelesen hast!